Politischer Stillstand in Frankreich: Regierungsbildung weiter ungewiss
Die Machtverhältnisse in Frankreich sind auch nach der Wahl ungeklärt. Präsident Macron behält die jetzige Regierung daher geschäftsführend im Amt. Wie lange kann diese Hängepartie dauern?
Paris - Nichts geht mehr in Frankreich, zumindest in der Politik. Vor dem Beginn der Olympischen Spiele und der politischen Sommerpause steht die Nation vorerst ohne schlagkräftige Regierung da. Auf der Kabinettssitzung in Paris hat Präsident Emmanuel Macron entschieden, die bisherige Regierung von Premierminister Gabriel Attal weiter im Amt zu behalten - aber nur noch geschäftsführend bis zur Ernennung einer neuen Regierung. Damit die Übergangszeit schnell ende, müssten die Parteien sich um eine Zusammenarbeit im Dienste der Menschen bemühen, teilte der Élyséepalast mit.
Diese Übergangszeit könne einige Wochen und mindestens bis zum Ende der Olympischen Spiele im September dauern, hieß es von den Ministern, wie französische Medien berichteten. Damit zeichnet sich eine längere Phase des Stillstands ab in dem Land, das gemeinsam mit Deutschland als Motor der EU gesehen wird.
Geschäftsführende Regierung kann nicht gestürzt werden
Die geschäftsführende Regierung kann keine Vorhaben oder Gesetze mehr auf den Weg bringen, in der aktuell unklaren politischen Lage aber auch nicht durch ein Misstrauensvotum gestürzt werden. Insbesondere aber können die 17 Ministerinnen und Minister, die bei der Wahl einen Sitz im Parlament erhielten, bei der konstituierenden Sitzung der Nationalversammlung bei der Verteilung von Leitungsposten mit abstimmen.
Dabei hatte am Abend der Parlamentswahl alles noch ganz einfach ausgesehen. Macrons Mitte-Lager hatte eine Niederlage kassiert, die zunächst als Favoriten gehandelten Rechtsnationalen von Marine Le Pen waren auf Rang drei verwiesen worden und das siegreiche neue Linksbündnis hatte auch ohne absolute Mehrheit gefordert, vom Präsidenten mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt zu werden.
Weder dem Linksbündnis noch Macrons Lager gelang es in der Woche nach der Wahl aber, mit weiteren Partnern eine tragfähige Regierungskoalition zu schmieden. Stattdessen waren die Tage in der Pariser Politik von Taktieren, Feilschen und Tauziehen geprägt. Dabei wurden Mehrheiten abgetastet und gleichzeitig ausgelotet, wie man den Gegner blockieren kann. Macron, der sonst die Fäden fest in der Hand hält, kündigte an, mit der Ernennung eines neuen Premierministers noch zu warten. Er rief die Parteien zur Bildung einer großen Koalition auf.
Und dann trat das ein, worauf Macron vielleicht schon früher gesetzt hatte - die Rivalitäten innerhalb der Linken drohen, zu einem Bruch des neuen Bündnisses zu führen. Im Kräftemessen mit den Sozialisten über das Bestimmen eines Kandidaten setzte die Linkspartei die Beratungen über die Bildung einer Regierung aus.
Mélenchon spekuliert auf Macht
Solange die Sozialisten auf ihren eigenen Kandidaten bestünden und ein Veto gegen Bewerber der Linkspartei einlegten, blieben die Beratungen über eine Regierungsbildung ausgesetzt, teilte die Linkspartei La France insoumise mit. Sie warf den Sozialisten «politische Blockade» vor. Die Sozialisten wiederum sprachen von einem undemokratischen Verhalten der Linkspartei.
Das Linksbündnis, dem außerdem Grüne und Kommunisten angehören, hatte eigentlich schon Ende der Woche bestimmen wollen, wer im Falle einer Regierungsübernahme Premier werden soll. Die Sozialisten benannten ihren Parteichef Olivier Faure. Die Linkspartei hat neben anderen Kandidaten auch ihren Gründer und Anführer Jean-Luc Mélenchon im Auge. Der altlinke Stratege ist vielen bis in die eigene Partei hinein wegen seiner autokratischen und polemischen Art ein Dorn im Auge. Mélenchon aber spekuliert weiter auf Macht.
Kurzfristig kann der Streit im Linksbündnis Macron in die Karten spielen, denn ein zerstrittenes linkes Lager wird er kaum mit der Regierungsbildung beauftragen. Beobachter vermuten aber auch, dass es bei dem Streit der linken Parteien schon um die Vorherrschaft mit Blick auf eine möglicherweise vorgezogene Präsidentschaftswahl geht. Angesichts der politischen Krise könnte Macron sich gezwungen sehen, vor Ende seiner Amtszeit 2027 schon demnächst abzutreten.
Macron will eigenes Lager in Regierungsmacht halten
Macron rief sein politisches Lager in einer Kabinettssitzung nach Bericht der Teilnehmer dazu auf, einen Vorschlag für eine Regierungskoalition oder eine Kooperation vorzulegen. Bis zur Ernennung einer künftigen Regierung könnte Macron sich problemlos bis zum Herbst Zeit lassen, denn dafür gibt es keine Frist. Der damit einhergehende politische Stillstand könnte sich noch verlängern, wenn der Präsident sich am Ende mangels stabiler Mehrheit für das Einsetzen einer aus Experten, hohen Verwaltungskräften und Ökonomen zusammengestellte technischen Regierung entscheidet. Eine Auflösung des Parlaments und Neuwahlen sind auf jeden Fall erst in einem Jahr wieder möglich.

Profitieren Le Pens Rechtsnationale dennoch vom Wahlausgang?
Auch wenn das Rassemblement National anders als prognostiziert nicht stärkste Kraft geworden ist und selbst hinter dem Präsidentenlager landen könnte, verbucht die Partei von Marine Le Pen erhebliche Zugewinne in der Nationalversammlung. Sie ist dort stärker denn je vertreten. Damit wächst der Einfluss der Partei in der Parlamentsarbeit und sie erhält mehr Geld aus der Parteienfinanzierung, mit dem sie bereits die Vorbereitung der Präsidentschaftswahl 2027 und der spätestens dann auch anstehenden nächsten Parlamentswahl vorbereiten kann.